Temporärer Fahrzeug-Import/-Export

- ein komplexes Thema, mit dem man außerhalb Europas als Fernreisender an fast jeder Grenze konfrontiert wird

Zehn Minuten hab ich im Copyshop angestanden und einen ganzen Dollar gezahlt für die Kopie meines Fahrzeugscheines, den ich dem missgelaunten Zöllner aus Honduras nun hinhalte. Nach langen Minuten des Ignorierens stempelt er sie dann gnädig ab, zeigt sodann in Richtung der Schlange vor dem Copyshop, der bestimmt seinem Schwager gehört, und fordert mich barsch auf, von der gestempelten Kopie eine Kopie machen zu gehen. Es soll nicht der letzte “Gang nach Canossa” an diesem Tag bleiben.

Es ist einer von diesen Momenten auf Fernreisen, in denen ich die EU und das Schengenabkommen regelrecht idealisiere und verehre. Aber so ist das nun mal im Leben: Manchmal muss man etwas erst entbehren oder die unschöne Alternative erleben, um das, was man täglich hat(te) zu schätzen.

Mit großer Selbstverständlichkeit fahren wir heutzutage ungebremst und ohne jegliche Formalitäten über die meisten europäischen Grenzen. Im Rest der Welt sieht das ganz anders aus. Der temporärer Import und später natürlich auch der Export des Fahrzeuges ist weltweit die Regel.

Im besten Fall erfolgt der Papierkrieg spontan an der Grenze. Fahrzeug- und Führerschein auf den Tisch, Formular ausfüllen, gegebenenfalls Gebühren blechen und fertig. In manchen Ländern muss man die grüne Versicherungskarte vorlegen. Die ist heutzutage je in der Regel auf weisem Papier, was uns beim Verlassen der Türkei Richtung Irak einmal zum Verhängnis wurde. Auch wenn die Kontrolle des Dokumentes bei der Ausreise ohnehin schon keinen Sinn machte, auf weisem Papier wollte man sie nicht anerkennen und uns daher nicht aus dem Land, in dem man sie ja eigentlich bräuchte, in das Land hinüberlassen, in dem sie keinen kümmert. Logik ist ein seltener Gast an vielen Grenzübergängen.

 

Viele Staaten bestehen beim temporären Import auf einer bei ihnen gültigen Kfz-Versicherung. Die deutsche gilt ja vereinfacht gesagt nur in Europa bzw. in den Ländern, die auf der grünen Versicherungskarte gelistet (und nicht durchgestrichen) sind. Manche Länder erkennen weltweite Versicherungspolicen an, die es tatsächlich gibt, die aber in der Mehrzahl von den Langzeit-Reisenden selbst “gebastelt” werden. Andere Länder bestehen auf den Abschluss einer nationalen Versicherung, die dann oft genug nur lächerlich niedrige Deckungssummen und nicht selten dafür hohe Prämien hat. Wer gut recherchiert, kann sich die Versicherung in manchen Ländern schon vorab online besorgen. Der Regelfall ist der Abschluss vor Ort an der Grenze zu Friss-oder-Stirb-Konditionen.

 

Besprühungen mit allerlei dubiosen Chemikalien zur Abwehr von Tierseuchen und Pflanzenkrankheiten mussten wir so manches Mal über unsere Kräder ergehen lassen und auch zahlen – selbst wenn die Dekontaminierung gar nicht durchgeführt wurde. Den schlimmsten Ruf in Sachen akribischer Abwehr von unerwünschten Tier- und Pflanzen(samen)arten haben Neuseeland und Australien. Die Bio-Security-Behörden schauen dort in die Ritzen von Wander- und Motorradstiefeln, drehen Zelte auf Links und nehmen unzugängliche Stellen unterm Schutzblech und Tank mit weißen Bauwollhandschuhen und Schwarzlicht unter die Lupe. Wer da erwischt wird, hat im besten Fall mit einer kostenpflichtigen Reinigung im dreistelligen Euro-Bereich zu rechnen. Im schlimmsten Falle wird das Motorrad unter Quarantäne gestellt.

Apropos Neuseeland und Australien: Da bräuchte man eigentlich auch noch sowas ähnliches wie “TÜV”, den man allerdings erst nach dem eigentlichen temporären Import im Land bei einer qualifizierten Werkstatt bekommen kann. Derartiges verlangen die allerwenigsten Länder auf der Welt. Dafür bestehen einige wenige Staaten auf technische Veränderungen, die meist nicht gravierend sind, sondern eher schikanös empfunden werden – z.B. Scheinwerfer teilweise abdecken, Reflektorenaufkleber anbringen, etc.

 

Um die Verwirrung in Down Under perfekt zu machen, gibt es in Australien in jedem Bundesstaat andere Regeln: Mal braucht man eine Versicherung, mal ist es Ausländern verboten, eine solche abzuschließen usw.. Das Land ist gnadenlos überbürokratisiert und die Harmonisierung zwischen den Bundesstaaten minimal bis nicht vorhanden. Auch dies ist eine Erkenntnis, die uns einmal mehr die Vorzüge der EU vor Augen geführt hat.

Je nachdem in welchem Bundesstaat man ankommt, muss man eine Registrierung bzw. Ausnahmegenehmigung von der Registrierung einholen. Ebenfalls abhängig vom Bundesstaat ist dafür eine gültige Zulassung des Fahrzeuges nötig. Die bedarf in manchen Ländern im Gegensatz zu Deutschland nämlich der jährlichen aktiven Erneuerung. Unschön, dass es in Perth einen übereifrigen, aus Deutschland stammenden Zöllner gibt oder gab, der fälschlicherweise die Zulassung mit der Hauptuntersuchung gleichsetzt und bei abgelaufenem “TÜV” die Einfuhr des Motorrades verbietet - Etwas, um das sich übrigens im Rest der Welt niemand schert.

 

In einigen Ländern für den temporären Fahrzeugimport nötig: Das “Carnet des Passage”, ein internationales Zolldokument, das man sich in Deutschland exklusiv beim ADAC besorgen kann und das in vielen Staaten Pflicht für die Einfuhr des KFZ ist. Neben einer dreistelligen Gebühr für das jeweils für ein Jahr gültige DinA4-Heft muss man auch eine Kaution hinterlegen, die 2.500 EUR oder mehr beträgt - abhängig vom Reiseland und Restwert des Fahrzeuges. Die wird einbehalten, falls das Fahrzeug nicht wieder ausgeführt bzw. nach Deutschland zurück gebracht wird. Wer den Diebstahl oder die Verschrottung des Motorrads mit “amtlichen” Dokumenten nachweist, kann u.U. sein Geld zurück bekommen. Aber selbst in vielen Nicht-Carnet-Ländern gilt: Wenn das Motorrad nicht ausgeführt wird – egal aus welchem Grund – dann sind Einfuhr-, Mehrwert-Steuer und Dergleichen fällig. In manchen Ländern sind das Beträge, die den Fahrzeugwert weit übersteigen.

Exemplarisch zitiere ich aus den Reise- und Sicherheitshinweisen des Auswärtigen Amtes für Russland: “Auch werden bei Diebstahl eines vorübergehend eingeführten Fahrzeugs mit ausländischer Zulassung Einfuhrabgaben vom russischen Zoll erhoben. “

 

Ordentliche Vorab-Recherche ist Pflicht für Fernreisen, damit man an Grenzen nicht plötzlich vor unlösbaren Problemen steht. Das Carnet des Passage gibt es, wie schon erwähnt, für Deutsche nur beim ADAC. Das kann man sich nicht eben mal schnell an einem Büdchen an der Grenze kaufen, wenn man dort zum ersten mal von eben dieser Anforderung hört. Desgleichen im Falle des internationalen Fahrzeug- und Führerscheins, auf die einige wenige Länder bestehen. Anekdote am Rande: Es gibt auch Länder, die nur den deutschen Fahrzeugschein anerkennen und nicht den internationalen. Bittere Erkenntnis für einen unserer Freunde bei der gescheiterten Einreise in die Ukraine.

Außerdem schadet es nicht, sich vorab über die Frist für den Aufenthalt des Fahrzeuges im jeweiligen Land klar zu werden. Die kann nämlich durchaus von der persönlichen laut Visum abweichen. In manchen Staaten kann man des “temporary permit” fürs Krad auch bei Behörden im Landesinnern verlängern – oftmals in mühsamen Prozeduren. Andere Länder sind strikt. Da heißt es ohne Wenn und Aber “Tschüss”, wenn die “Uhr” abgelaufen ist.

 

Die meisten der Ex Ostblock Staaten bestehen darauf, dass das Motorrad vom Besitzer selbst über die Grenze gefahren wird. Temporäre Einfuhr von einem abweichenden Fahrer ist nur möglich, wenn der eine notariell beglaubigte Vollmacht vom Besitzer hat. Wir haben besagte Regel in der Ukraine schon mehrfach mit Sturheit überwunden und sind in Russland schon gnadenlos an ihr gescheitert. Obwohl der Besitzer mit dabei war, wurde uns die Einreise verwehrt wegen der mangelnden notariellen Bestätigung der Vollmacht. Unnötig zu erwähnen, dass ein Besitzer nicht zwei Fahrzeuge gleichzeitig temporär einführen darf. Eine Regel, die vermutlich so manchem Wohnmobil- und Expeditionsfahrzug-Reisenden, der ein kleines Motorrad huckepack hinten drauf hat, schon zum Verhängnis geworden sein dürfte.

Weitere Besonderheiten und Kuriositäten gefällig? Es gibt Länder, da dürfen Frauen kein Motorrad fahren. Manchmal ist die Einfuhr von Fahrzeugen oder Motorrädern oberhalb einer bestimmten Kubikzentimeterzahl oder Leistung nicht erlaubt. In einigen wenigen Ländern wie Ägypten bekommt man ein nationales Kennzeichen und bei manchen temporären Einfuhrprozeduren wird die Motornummer abgefragt, die für die dortigen Zöllner verwirrenderweise in den deutschen Papieren gar nicht eingetragen ist. Die wird dann genauso wie die Fahrgestellnummer akribisch am Fahrzeug überprüft, weshalb es sich empfiehlt, beide Nummern mal zuvor in entspannter Stimmung am eigenen, unter Umständen stark verdreckten Fahrzeug zu lokalisieren.

 

Oft gibt es nach erfolgreicher Einfuhr ein Dokument, das man bei der Ausreise wieder vorlegen muss. Manchmal soll man gar bei der Einfuhr, den geplanten Ausfuhr-Grenzübergang benennen – mutmaßlich, damit die nötigen Papiere dorthin übersandt werden können. Digitale Vernetzung ist in vielen (Entwicklungs-)Ländern nur ferne Zukunftsmusik. In manchen Ländern wird das Fahrzeug in den Pass gestempelt – im unschönsten Fall eine volle Seite einnehmend in einem Pass, dessen freie Stellen ohnehin schon viel zu schnell dahinschwinden. Diesbezüglich ist das Carnet eine Entlastung: Da werden Import und Export standardisiert dokumentiert und von den jeweiligen Behörden bei jedem dieser Vorgänge vorgedruckte Abschnitte entnommen. Eine Prozedur, die leider oft genug falsch gehandhabt wird, was in der finalen Folge dann zu Problemen bzw. zu Verzögerungen bei der Rückerstattung der Kaution führen kann.

 

Zweifelsohne steht uns noch so manches Neue und Kuriose in Sachen temporärer Fahrzeugimport in unserem zukünftigen Reiseleben bevor, aber schon so reichen meinen leidigen Erfahrungen, um mich bei jedem “Überfahren” einer heutzutage nur noch imaginären Grenze im Schengenraum dankbar lächeln zu lassen! Wir haben´s hier echt gut und sollten uns dessen bewusst sein!

 

In diesem Sinne grüße ich Euch mit einem fröhlichen “Freie Fahrt!”

 

Euer Panny von den Krad-Vagabunden

In unserer Homepage-Rubrik "Länderinfos/Reiseplanung" haben wir für jedes Land auch das Thema "temporärer Import/Export" beschrieben.

 

In dem Zusammenhang sei auch unsere Rubrik "Carnet de Passage" noch zur Lektüre empfohlen.

ABENTEUER KAUKASUS - eine Reise zu den höchsten Bergen Europas

 

Dieser Superlativ ist wie vieles im Kaukasus: kompliziert und strittig. All die regionalen Konflikte, die schwierige politische Lage und die damit einhergehenden bürokratischen Mühen für Besucher sind Gründe dafür, dass dieser wundervolle Teil der Erde weit davon entfernt ist, von Touristen überlaufen zu sein. Wer in Georgien, Armenien, Aserbaidschan und Russland unterwegs ist, darf sich noch vielerorts als Entdecker fühlen, ohne dass es an einfacher und vor allem preiswerter Infrastruktur für Individualreisende gänzlich mangeln würde.

Auf unserer sechsmonatigen Tour hat uns diese spannende Region an der Grenze von Europa zu Asien in ihren Bann gezogen mit grandioser Bergwelt, viel unberührter Natur, fremder Kultur, oftmals blutiger Geschichte und nicht zuletzt durch gastfreundliche Menschen, die sich über Fremde noch ehrlich freuen.

 

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© Frank Panthöfer